2020-09-23
Hundeschule ist ein völlig irreführender Begriff. Frauchenschule trifft es eher. Herrchenschule wäre allerdings nötiger. Umschiffen wir also diese Begrifflichkeiten und nennen es Puppy School. Das klingt wirklich süß und verschleiert, dass es sich um harte Arbeit, Blut, Schweiß und Tränen handelt.
Die beste Schule in der Gegend ist Beachwood, praktischerweise auch in Aldinga Beach, mit mehreren Hektar Wald, Wiese und Schulungsgelände.

Wir fangen mit einer Privatstunde an, als Skipper ganz neu bei uns einzieht. Ohne diese Stunde hätte ich es nicht durch die ersten Wochen geschafft. So ein Welpe ist wirklich niedlich… bis er seine Zähne zeigt. Kleine spitze Vampir Welpen Zähne. Sie graben sich in ALLES! Stuhl, Tisch, Schrank, Schuh, Schnürsenkel, Hose, Hemd, Fuß, Knöchel, Wade, Finger, Arm, Nase, Haare…. was auch immer erreichbar ist. Einschlägige Welpenratgeber empfehlen, mit einem kleinen spitzen Schrei zu reagieren, wie auch seine Geschwister quietschen würden, wenn er sich mit ihnen balgt. Anschließend soll ich mich abwenden und ihn ignorieren, und wenn er es immer noch nicht sein lässt, weggehen. Puh, wir haben wochenlang gequietscht, viel ignoriert, und ich habe Stunden im Schlafzimmer hinter geschlossener Tür verbracht. Warum eigentlich ich? Warum nicht Skipper?

Weil Hundeerziehung heute mit positiver Verstärkung arbeitet. Das heißt dass Skipper gelobhudelt und mit Leckerli belohnt wird, wenn er etwas richtig macht, etwas das wir uns wünschen. So wie Sitz, Komm, Bleib, Lass dass etc. Wenn er hingegen unerwünschtes Verhalten zeigt, so wie Beißen, Jammern, Anspringen, Betteln etc, dann wird er ignoriert.
Seither stehen an allen strategisch wichtigen Stellen im Haus Schalen mit Leckerli. In allen Hosentaschen, Jackentaschen etc finden sich Hundekuchen zum sofortigen Belohnen. Denn einer der Grundsätze der Erziehung ist: Man kann einen Welpen nicht genug belohnen! Allerdings möchten wir auch keinen übergewichtigen Welpen haben. Also wird eine großzügige Portion Leckerli von der Futtermenge für Frühstück, Mittagessen und Abendessen abgezogen.

Bestraft wird nicht. Wir ignorieren. Das ist so als wenn Kinder als Höchststrafe verhängen: „Ich lade dich nicht zu meinem Geburtstag ein!“ Ignorieren ist anstrengender als Belohnen. Wenn das kleine süße Fellbündel hochspringt, dann ist die natürliche Reaktion: Knuddeln! Wenn man sich allerdings vorstellt, dass dasselbe Fellbündel in wenigen Monaten ausgewachsen ist und mehr als 20 kg wiegt, dann ist das mit dem Hochspringen nicht mehr ganz so süß. Also muss Skipper jetzt lernen, was er später (nicht) machen soll.

Ignorieren ist auch nicht so einfach wenn Skipper wieder ein kolossales Loch im Garten buddelt oder meine Lieblingsschuhe zernagt. Das ist eine gute Gelegenheit für ein energisches „Lass das!“ Das klappt meistens ganz gut. Wenn nicht, bringt uns ignorieren allerdings nicht weiter sondern die Situation wird vermieden. Also entweder Schuhe wegnehmen oder den Hund vom Buddeln wegführen.

Diese Erziehungsgrundsätze der positiven Verstärkung gelten in der Schule leider nur für Hunde. Kerrie hat keinerlei Hemmungen, Frauchen und Herrchen für allerlei Verfehlungen zu schelten. Gelobt werden wir selten. Wir bekommen Hausaufgaben, werden vorgeführt und kritisiert. Das ist ganz schön peinlich. Mit hängenden Ohren trainieren wir während der Woche umso härter mit unseren vierbeinigen Partnern und lernen dabei: Konsequenz. Ohne geht’s nicht.

In der Hundeschule langweilt Skipper sich meistens. Denn wir wiederholen, wiederholen wiederholen. Und zwischendurch erklärt Kerrie ganz viel. Während ich aufmerksam zuhöre, buddelt Skipper Kerries Mulch um. Das mag sie gar nicht. Ich soll dem Treiben mit „Lass das“ ein Ende setzen. Das funktioniert perfekt. Für ein erfolgreich befolgtes „Lass das! gibt es natürlich ein Leckerli. Skipper ist begeistert. Ob das noch einmal klappt? Buddeln – lass das – Leckerli! Super. Also wiederholen, wiederholen wiederholen bis er mich als Leckerli-Fütterungs-Maschine konditioniert hat. Wir gehen inzwischen mit drei (3!) Tüten Leckerli zur Puppy School. Mittagessen fällt dann aus.
Das einzige Mal dass Skipper wirklich aufgepasst hat in der Schule war beim Thema „Ignorieren bei unerwünschtem Verhalten“. Das kann er gut! Ich rufe ihn? Er starrt mich an und tut so als wäre er taub. Das geht minutenlang so. In der Schule lernen wir dass Frauchen sich dann umdreht und weggeht. Laut Lehrplan kommt der Hund dann zur Besinnung und folgt. Skipper hingegen pocht auf gleiches Recht für alle. Das heißt er starrt mich an, dreht sich um und geht weg. Und nun???

Es ist ganz schön anstrengend einen intelligenten Hund zu haben. Border Collies sind angeblich die intelligenteste Hunderasse. Das stimmt nicht immer. Aber oft. Zum Beispiel wenn Skipper der Meinung ist dass ich das Frühstück nicht schnell genug mache, führt er der Einfachheit halber schon mal unsere gesamte morgendliche Trainingsroutine vor: Touch, Sitz, Bleib, Pfote, Down, Drehen. Mit anderen Worten: Mach hinne, ich hab Hunger, spar dir die Kommandos, guck mal ich kann alles!

Mein Idealbild vom Leben mit Hund ist ein glücklicher Skipper, der neben uns her trabt, ab und zu schnüffelt aber immer Blickkontakt zu uns hält. Das Realbild ist dass Skipper an der Leine zieht wie ein Schlittenhund oder von mir and er Leine hinterhergezogen wird weil er noch am Laternenpfahl riecht.

Er zieht zu jeder Person und zu jedem Hund und ignoriert mich am anderen Ende der Leine. So macht Spazierengehen macht nicht wirklich Spaß. Nach einem unerfreulichen Rueffel von Kerrie habe ich das Leinentraining oben auf die Agenda gesetzt. Jeden Tag einmal um den Block, dabei Fokus auf mich. Also eine Tüte Leckerli eingepackt und schnellen Schrittes los. Und siehe da, es klappt. Schon an Tag 1 hat er auf dem letzten Drittel des Weges verstanden, dass es Leckerlis gibt, wenn er neben mir läuft und mich anschaut. An Tag 2 fiel es ihm nach der Hälfte des Weges wieder ein. An Tag 4 schaute er mich schon beim Verlassen der Garageneinfahrt erwartungsvoll an, wo denn wohl die Leckerli blieben. An Tag 6 gingen wir einen neuen Weg und er wusste nichts mehr. Wir mussten wieder ganz von vorne anfangen. Denn was in einer vertrauten Umgebung klappt, muss in einer anderen noch lange nicht funktionieren. Also üben wir jetzt auf verschiedenen Routen.

Am liebsten üben wir am Strand. Vor zwei Wochen haben wir Maslin Beach für uns entdeckt. Maslin ist berühmt, weil es der erste offizielle FKK Strand in Süd Australien war – und wahrscheinlich bis heute der Einzige ist… Im Winter ist der Strandabschnitt menschenleer, außerdem weit entfernt von jeder Straße und daher das ideale Gelände um das Laufen ohne Leine zu üben. Also, das Laufen ohne Leine kann Skipper im Grunde ganz gut, was wir üben ist dass er zurück kommt! Und auch das wird langsam… Er hat Riesen Spaß daran, wie ein Blitz über den Strand zu jagen und dann mit voller Geschwindigkeit zu kommen wenn ich ihn rufe. Seine zweite Aufgabe ist fremde Menschen und Hunde zu ignorieren und niemanden anzuspringen. Dabei ist noch Luft nach oben. Immerhin springt er inzwischen nicht mehr sondern läuft nur einmal um Spaziergänger herum. Hütehund halt. Daran arbeiten wir weiter, denn die meisten Leute finden es nicht so toll wenn ein fremder Hund mit Höchstgeschwindigkeit auf sie zurast. Noch hat er Welpen Bonus, aber das wächst sich langsam aus…
Nach acht Wochen Puppy School ist Skipper nun ein zertifizierter Welpe und wird versetzt. Er steigt in die Silberne Liga auf! Diese Abenteuer wollen wir mit Ivan zusammen machen. Bisher trainiere ich nämlich nicht nur den Hund, sondern auch den Husband, damit wir uns in der Erziehung einig sind. Zum Ergebnis nur so viel: Beim Hund bin ich erfolgreicher.

9 Antworten auf „Puppy School“
Herrlich! Und wenn’s dir reicht mit der Schelte in der Puppy School, trällere doch einfach den Refrain eines alten Hits der Schlümpfe „das schönste an der Schule, das sind die Pausen“. Kennt bestimmt kein Australier 😎🍀
Danke für den Ohrwurm!
Herrlich!! Was ich noch fragen wollte. Wird Skipper eigentlich 2-sprachig erzogen? 🤔
Absolut zweisprachig! Skipper ignoriert uns fließend in Englisch UND in Deutsch!
Liebe Anke…was soll ich sagen….Skipper erinnert mich erfolgreich an unsere Jule, mit der wir nicht so schnell in die silberne Liga aufgestiegen sind….alle anderen Hunde waren aufgestiegen und wir ….tja, ich kenne es ja nicht anders (nur von der anderen Seite des Schreibtisches – so als Lehrerin) ….wir sollten an der Basis arbeiten und uns noch gedulden – mit anderen Worten – wir waren sitzen geblieben!
Was glaubst du wie oft ich mich auf der Hundewiese versteckt habe, weil dann angeblich der Hund kommt! Wer nicht kam, war unsere Jule, fand sie großartig ohne störendes Frauchen endlich mal die Wiese klar zu machen…Ich sags dir! Zwei Kinder und ein Husband sich einfacher zu erziehen als ein Hütehund…..:-) dennoch die Mühe zahlt sich hinten aus! GEDULD!
Mit dem Wissen von heute hättest Du vielleicht sogar eine schönere Jugend mit Deinen Brüdern gehabt. 😂😂😂
Liebe Anke, das ist ein großartiger Artikel! Ich hatte beim Lesen sehr viel Spaß und habe laut gelacht. 👍🍀😂
Brüll – und ich dachte, die Erziehung zweier Jungs und Husband sei kräftezehrend 🤗 Herrlich! Auch die tollen Bilder!! Hast Du auch ein Zertifikat bekommen?
[…] sein. Bis dahin ist es noch ein langer weiter Weg, aber jeden Tag gehen wir einen weiteren Schritt. Puppy School hilft dabei sehr. Nach drei Kursen erreichte Skipper (und damit auch die Erziehungsberechtigten) […]